Lilith – Adams erste Frau

Wie kaum eine andere Figur hat Lilith sowohl die Mythologie und die Gnostik hinsichtlich der Rolle der Frau geprägt. Ihre Geschichte lieferte den Gelehrten Zündstoff und diente als Grundlage für emanzipatorische Streitthemen. Den Kern der Diskussionen bildete die Frage: Soll die Frau dem Mann angepasst leben, oder soll sie sich frei entfalten dürfen?

Dieses Thema wird in der Geschichte von Adam, Eva und Lilith wiedergegeben.

Auszug eines jüdisch-feministischen Midrasch*
*Auslegung religiöser Texte im rabbinischen Judentum.

 Aus dem Staub der Erde erschuf Gott Adam und Lilith – der eine Teil männlich, der andere weiblich, doch beide aus dem gleichen Element geschaffen und somit gleichgestellt. Adam missfiel dies und forderte von Lilith, sie solle sich unterordnen. Da sich Lilith weigerte und davonflog, beschwerte sich Adam bei Gott. Erfolglos versuchten dessen Boten Lilith zur Rückkehr zu bewegen. So schuf Gott Eva aus Adams Seite und nicht aus dem Staub der Erde, sodass Eva kleiner und Adam untergeordnet war. Nach einer Zeit des glücklichen Zusammenlebens verspürte Eva in sich Fähigkeiten, die jedoch unvollendet blieben, während Adam von Evas dienlicher Art gelangweilt war und von Lilith träumte. So brach Adam dazu auf Lilith zu suchen, mit der Absicht sie als Nebenfrau zu halten. Diese erkannte seine Absicht und lehnte ab. Adam  zurück und träumte noch intensiver von Lilith als zuvor. Eva berichtete er, Lilith sei eine Dämonin, eine Gespielin Satans, die nachts versuche ihn zu verführen. Tatsächlich hatte Satan weniger Interesse an der gelehrten Lilith als an der Schwachen Eva.

Lilith – die Schlange im Garten Eden?

In der Bibel steht fast kein Wort von Lilith. Im 1.Buch Mose wird zunächst von JHWA gesprochen, was mit Herr übersetzt wird – wir sprechen im Folgenden von „Gott“. Im Garten Eden wird dann Adam erschaffen und Gott verbot ihm vom Baum der Erkenntnis zu essen, da er sonst sterben würde. Als Gott merkte, dass Adam alleine und einsam war, schuf er aus dessen Rippe eine Frau und nannte sie Eva. Wie wir wissen hat die Schlange alsbald Eva verführt, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen.

Eva starb nicht, doch was ist Sterben? Es ist der Übergang in eine andere Ebene, die Seele ist unsterblich. In Bezug auf Adam und Eva bedeutet dies, sie fielen hinab in ein irdisches Bewusstsein, in ein niedrigeres Bewusstsein und verloren ihr höheres Selbst. Adam und Eva sahen von nun an nicht mehr ihren feinstofflichen Leib und hielten sich demnach für nackt.

Lilith wurde bereits zuvor aus dem Paradies vertrieben, weil sie sich nicht unterordnen wollte. Sie wurde auf die Erde verstoßen und mit dem Fluch belegt Kinder zu verschlingen. Es heißt, Lilith sei aus Eifersucht Eva als Schlage erschienen und habe sie verführt die verbotene Frucht zu essen. Im Volksglauben wurde immer wieder gegen Lilith gehetzt, sie würde kleine Kinder und Frauen verschlingen. Es gab  Amulette, Zaubersprüche und Inschriften, die vor Lilith schützen sollten. So wurde sie als Gegenbild von Eva, aber auch als "Mutter allen Lebenden" dargestellt, wodurch sie zu jener Zeit bei den Frauen an Schrecken gewann.

Die helle und die dunkle Seite des Mondes

Der helle Mond verkörpert die gebende, weiche, fürsorgliche Seite, das Urbedürfnis der Liebe. Die Liebe ist ein sehr sanftes Wesen und braucht Schutz um sich entwickeln zu können.

Der schwarze Mond verkörpert die lustvolle Energie. Wenn diese sich nicht frei entfalten kann, tanzt die weibliche, dunkle Seele ihre Urbedürfnisse in nächtlichen Reigen aus. „Lustvoll“ bezieht sich auf das Leben in seiner Gesamtheit und nicht wie vielfach in der Literatur beschrieben, rein auf die sexuelle Lust.

Der schwarze Mond wird in der Astrologie im positiven der weiblichen, brodelnden, fordernden, ungestümen Urenergie zugeordnet. Wenn Lilith im Horoskop etwa durch einen Spannungsaspekt verletzt ist, dann deutet man diese Stelle als Schatten. Hier zeigt sich ein „sich nicht gönnen wollen“ im Leben, eine Verletzung, ein Schmerz, eine quälende Eifersucht und somit ein umschlingendes, würgendes, erdrückendes Gefühl. Astrologisch gesehen steht der Mond auch für den Lilith-Schmerz. Jedoch werden immer zwei Seiten verkörpert, die "Ungestüme" und die "Sorgsame".

Lilith und Eva sollten als Schwestern, als Freundinnen aufwachsen, sich gemeinsam entwickeln, sich begegnen, um zu erkennen wer die andere in ihrem Urbild ist. Übersetzt heißt das, wer seine Lilith nicht anerkennt läuft Gefahr von dieser verschlungen zu werden.

Betty Friedan (04. Feb 1921 – 04. Feb. 2006, Mitbegründerin der amerikanischen Frauenbewegung) schreibt in ihrem Buch „The Feminine Mystique“: „Der schlimmste Feind der Frauen ist ihre Selbstverleugnung“. Dies ist in etwa mit der Verleugnung Liliths gleichzusetzen.

Wenn sich Lilith im Geburtshoroskop auslöst und quasi aus dem Kerker, aus ihrer Versenkung flieht, dann ist Eva in Gefahr, weil sie ihre verleugnete "dunkle Freundin" nie kennengelernt, nie angenommen hat. Es kommt zu einer intensiveren Selbstwahrnehmung, was zur Folge haben kann, dass die Frau bei solchen Lilithauslösungen ein komplett neues Leben beginnt.

Die Dualität von Lilith und Eva verhält sich im Horoskop wie heller Mond und schwarzer Mond. Daher werden in der Deutung eines Geburtshoroskopes immer beide Seiten beleuchtet.

Technik

Der Mond beschreibt seinen Lauf um die Erde in einer Ellipse. Lilith ist ein errechneter Punkt innerhalb dieser Mondellipse. Wenn wir nun die Graphik betrachten, sehen wir eine gezogene Leitlinie und zwei Brennpunkte. Lilith befindet sich auf dieser Achse gegenüber der Erde, am/im Apogäum der Mondbahn, mit gleichem Abstand zum Mittelpunkt der Ellipse. Dieser Brennpunkt ist ein dunkler Schatten, ein sensitiver Punkt. Schauen wir in den Ephemeriden nach, wird dort der Wert einer mittleren und einer wahren Lilith angegeben. In der gängigen Astrologiepraxis wird mit der mittleren Lilith gearbeitet.

Umlauf etwa 8 Jahre und 10 Monate
Jährlich etwa 40°
Apogäum: Erdferne
Perigäum: Erdnähe

Lilith und Mond im Aspekt im Geburtshoroskop

Mond und Lilith zeigen gemeinsam die Verwurzelung und die Verbindung zu den Vormüttern auf. Je nachdem in welcher Beziehung, in welchem Aspekt Lilith und Mond zueinander stehen, können wir die ererbten Erfahrungsbilder der weiblichen Vorfahren aus dem Geburtshoroskop deuten. Zwar finden wir keine konkrete Geschichte dazu, jedoch lässt sich herausfinden, welche Art von Lilithschmerz eine Vorfahrin erleiden musste, welche Art von Problem sich an die Nachfahren weiter vererbt hat.
Beispielsweise stehen Lilith und Mond in Konjunktion im fünften Haus und bilden einen Spannungsaspekt zu Pluto (Gewalt). Hieraus lässt sich Folgendes ableiten: Das fünfte Haus steht bei einer Frau für die Großmutter mütterlicherseits und für Kinder. Meist hat die Großmutter unter tragischen Umständen ein Kind verloren. Der Schmerz überträgt sich in diesem Fall von der Großmutter auf die Enkelin.

Die Seele kennt keine Schattenanteile, doch der irdische Mensch trägt sie in sich

 Es wird ersichtlich, dass Lilith und Mond auch die schmerzvoll gehüteten Geheimnisse direkter Vorfahrinnen symbolisieren. Die Vernetzung in das Schattenreich des Lilithschmerzes kann dabei bis zur Urgroßmutter im Geburtshoroskop nachvollzogen werden. Meist handelt es sich um Situationen, in denen Frauen keine Kinder bekommen können oder diese verlieren. Oder sie sehen sich immer wieder in ihrem Leben massiv mit Grenzsituationen konfrontiert und verspüren Wünsche und Begehren, die sich nicht erfüllen können, weil der Schmerz jene abspaltet. Die weibliche Seele hat somit keine Chance (so scheint es zumindest) diese zu integrieren, oder besser gesagt den fehlenden Anteil zu erkennen, um den Seelenschmerz überwinden zu können. Meist wird unbewusst eine Partnerschaft eingegangen, in der man genau mit diesen Themen konfrontiert wird. So entsteht ein kräftezehrender Kampf zwischen Fordern und Verweigern. Die Frau möchte den fehlenden Anteil entdecken, doch wenn das Thema sich zeigt, und es ernst wird, dann entsteht meist die Lilithverweigerung, da heißt es dann: Komme mir bloß nicht zu nahe! Die Befreiungsgöttin Lilith lässt dies nicht zu. Jeder Transit, jede Auslösung, der im Geburtshoroskop einen Aspekt auf Lilith wirft bietet eine neue Gelegenheit diese wieder ein wenig mehr zu integrieren.

Werfen wir im Folgenden einen Blick darauf, welche Bedeutung Lilith in den Zeichen und Häusern zukommt.

Lilith in den Zeichen

Lilith im Widder oder im ersten Haus

Hier herrschen zwei Kräfte, eine drängt selbstbewusst nach vorne und erobert das was ihr gefällt, die andere Kraft ist eher zurückhaltend und flüstert: Sei vorsichtig, es gibt Gefahren! Die Aufgabe liegt darin zurückzuschauen, um das schmerzhafte Lilithband zu durchschneiden und dann mit Freude den eigenen Weg aufnehmen zu können. Der Horoskopeigner wirkt in seinem Auftreten meist unsicher oder übersteigert. Er selbst weiß nicht, wie er auf seine Umgebung wirkt und ist psychisch leicht erregbar. Oft ist dieses Verhalten die Folge erotischer Frustrationen.

Männer kompensieren diese Schwäche gerne mit einem dominanten Auftreten, frei nach dem Motto: Ich erobere dich, doch du bekommst mich dennoch nicht!

Die Schattenseite wird mit den Begriffen Tyrannin, Streitlust, Rivalität und Konkurrenz verbunden. Der Horoskopeigner gibt anderen den Vortritt und ist dabei der Meinung, er hätte es doch besser gekonnt.

Lilith im Stier oder im zweiten Haus

Hier stellt sich die Energie dar, alte Verkrustungen zu lösen und irdisches Begehren zu transzendieren, damit neues Wachstum möglich ist. Es ist die Auseinandersetzung zwischen Intellekt und Sinnlichkeit, zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Der Horoskopeigner hat ein großes, schöpferisches Potential und braucht Vertrautheit und Treue.

Männer lieben die schöne Frau an ihrer Seite und sinnliches Begehren, oder aber es kommt zur Verweigerung desselbigen. So will sich der Horoskopeigner nach einer Enttäuschung niemandem mehr anvertrauen und geht unfreiwillig alleine weiter durchs Leben. Er fühlt sich entwurzelt, lehnt tiefe Bindungen ab und ist extrem sparsam. Außerdem trägt er Erlebnisse lange mit sich herum und wird dadurch melancholisch. Er glaubt, sich für die große Liebe aufzusparen.

Lilith im Zwilling oder im dritten Haus

Bei Begegnungen mit Lilith, also mit dem Lilithschmerz, wird der Schmerz einfach weggeredet. Es gibt keine wirkliche Annäherung zum wahren Lilithwesen. Dies ist mit der Geschichte des Ödipus vergleichbar. Dem Psychoanalytiker Helmut Remmler zufolge, hat Ödipus einen großen Fehler begangen, indem er das Rätsel der Sphinx nur intellektuell löste und sich nicht mit dem wahren Wesen jener beschäftigte.

Der Horoskopeigner lässt sich demnach nur scheinbar auf die Liebe ein, es wird ständig über wenn und aber diskutiert. Männer haben dabei oftmals eine beste Freundin zum reden. Die Stimmung wechselt oft von geschäftig und lebhaft, zu niedergeschlagen und grundlosem Weinen.

Mit seinem Sprachtalent kann der Horoskopeigner eine Mauer ziehen, um durch das eigene Reden seelische Nähe zu vermeiden, da er dazu neigt Gefühle als bedrohlich zu empfinden. Je nach Lebenssituation wird so auch der Partner einfach ausgetauscht. Weiterhin zeigt sich hier die Suche nach verschollen geglaubten Geschwistern.

Lilith im Krebs oder im vierten Haus

Die Dunkle, die Verstoßene trifft auf ihre helle Schwester. Nach Oskar Adler* bedeutet dies, dass der Wassermensch mit einem nackten, schutzlosen Seelenleib auf die Erde kommt und sich haltlos und entblößt fühlt. Er ist daher sehr empfindsam und verspürt großes Mitgefühl, jedoch können so auch massive Seelenqualen entstehen. Als Kind war der Horoskopeigner enorm abhängig von der Stimmung der Eltern und hatte ständig den Eindruck angelogen und abgelehnt zu werden bzw. dass ihm ein wichtiges Detail verheimlicht wird. Er braucht die Information, um seinen Schmerz besser einordnen und erklären zu können. Und es dauert lange erwachsen zu werden und lange, um sich innerlich jung und lebendig zu fühlen.

Männer fühlen sich zu mütterlichen Frauen hingezogen und veranstalten dann in der Beziehung ein Wechselbad der Gefühle zwischen Liebe und Ablehnung.

*österreichischer Arzt, Musiker und Astrologe (1875-1955)

Lilith im Löwen oder im 5.Haus

Es gibt viele Wege, die man im Leben gehen kann. Manche führen über dunkle Pfade und oftmals wählt man ganz bewusst den schwereren Weg, um auf Basis der gewonnenen Erfahrungen herauszufinden, wie sich der Lilithschmerz anfühlt und diesen dann überwinden zu können.

Die eine Seite des Horoskopeigners liebt das Leben und im guten Sinne machtvoll zu sein. Ein bedingungsloses Ja zum Eigenen wird verkörpert. Die andere Seite kompensiert mit divenhaftem Auftreten und ist abhängig von Bewunderungen. Während des Lilithschmerz kann auch von einer entthronten Prinzessin gesprochen werden, die keine Königin mehr werden kann. Das Leben wird dunkel und der Horoskopeigner verträgt keine Aufmunterung, keinen Widerspruch. Er ist zornig, weinerlich und zugleich explosiv. Lust und seelischer Schmerz werden nun zum Schiedsrichter zwischen Gut und Böse. Die Lösung findet sich in der heilsamen Depression, dem Weg nach innen.

Lilith in der Jungfrau oder im sechsten Haus

Hier kommt es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Seelenleben und der Tugend. Der Horoskopeigner ist aufmerksam für Details. Selbstbeherrschung, Kontrolle und Glaube sind seine Themen, wobei er sich ständig fragt, was richtig oder falsch ist. Nach Ralph Waldorf Emerson* besteht Glaube darin, das anzunehmen, wozu die Seele ja sagt. Kreisende Gedanken um ein und dasselbe Thema werden bis ins kleinste Detail analysiert und doch findet der Horoskopeigner keine zufriedenstellende Antwort, keine innere Überzeugung. Entscheidungen werden folglich nur schwer getroffen. Männer definieren bzw. lösen dabei vieles über Sex. Die Frage, die sich am meisten stellt ist: Ist meinem Herz, meiner Seele klar, was "die Lust am Leben" für mich bedeutet? Im Lilithschmerz ist man hier auf der Suche nach der einen, schicksalshaften Begegnung, die alles von Grund auf verändert.

Wir erfreuen uns der Tugend nicht deshalb, weil wir die Lüste hemmen, sondern umgekehrt, weil wir uns jener erfreuen, deshalb können wir unsere Lüste hemmen. (Spinoza Ethik. Teil V, 42 Lehrsatz)

*US-amerikanischer Philosoph, Schriftsteller und Führer der Transzendentalisten in Neu-England (1803-1882)